Die Kunst des Zielsetzens:

Ziele setzen - oder nicht?

Warum es manchmal gut ist, keine Ziele zu haben

 In einer Welt, die von Selbstoptimierung und Erfolgsdruck geprägt ist, wird das Setzen von Zielen oft als unerlässlich für persönliches Wachstum und Erfolg angesehen. Doch was, wenn dir jemand sagt, dass es manchmal genauso wichtig ist, keine klaren Ziele vor Augen zu haben? Das ist mir letztens bei einem Kurzinput zum Thema „Kein Fortschritt ohne Rückschritte“ passiert. Eine Teilnehmerin teilte mit, dass jetzt, wo sie sich keine Ziele mehr setz, alles funktioniert und sie viel gelassener ist. Das hat mich zu diesem Beitrag animiert, denn ich bin genau jene Person, die sich immer wieder durch die eigenen Ziele angetrieben fühlt, alle Lebensbereiche zu optimieren. Und dann ist da doch noch die Erinnerung an meine Therapeutin, die zu mir sagte: „Musst du wirklich auf jeden Gipfel, um glücklich zu sein? Oder reicht es den Gipfel von der darunterliegenden Hütte anzusehen und zu sagen: „Es ist gut so wie es ist!“

In diesem Beitrag tauchen wir in die Welt des Zielsetzens ein und erkunden, warum Flexibilität und Offenheit für das Unbekannte genauso wertvoll sein können.

 Die Macht des Zielsetzens

Ziele geben uns eine Richtung und Motivation. Sie helfen uns, unseren Fokus zu schärfen und unsere Bemühungen auf das zu konzentrieren, was uns wichtig ist. Wie Antoine de Saint-Exupéry einst sagte: "Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch." Durch die Festlegung klarer Ziele können wir einen Plan entwickeln, um sie zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist der berühmte Marathonläufer Eliud Kipchoge, der sagte: "Mein Ziel ist es, nicht nur ein Rennen zu gewinnen, sondern eine Legende zu werden." Ich arbeite, wenn es bei meinen Klient*innen um Zielsetzung geht, immer mit dem „Golden Circle“ von Simon Sinek. Der das WARUM in den Mittelpunkt der Zielsetzung stellt. WARUM will ich dieses Ziel erreichen und darüber lässt sich dann auch viel leichter das WAS ableiten und auch das WIE. Denn ein Ziel ist für mich wie ein Gipfel, ich frage mich, warum will ich da hinauf? Ist es weil ich mich sportlich herausfordern will, weil ich meine Höhenangst bewältigen möchte, weil ich die Aussicht da oben genießen möchte oder weil ich einfach die Stille am Berg genießen möchte … und dann ist das das WIE. Wie will ich auf diesen Berg, mit dem Mountainbike, zu Fuß, über Klettersteige oder einen normalen Wanderweg. All das verbirgt sich für mich hinter Zielsetzungen und dies Punkte gilt es zu klären, will man diese Ziele wirklich erreichen.

 Die Dunkle Seite der Zielsetzung

Doch während das Setzen von Zielen viele Vorteile bietet, kann es auch Einschränkungen mit sich bringen. Manchmal werden wir so von unseren Zielen geblendet, dass wir die Möglichkeiten und Chancen um uns herum übersehen. Manchmal sind wir so vom „Gipfelkreuz“ geblendet, dass wir die wundervollen Wiesen, Blüten und Geräusche um uns herum nicht wahrnehmen. Der Schriftsteller Franz Kafka brachte dies zum Ausdruck, als er sagte: "Wege entstehen dadurch, dass man sie geht." Manchmal führt uns das Festhalten an bestimmten Zielen dazu, dass wir uns gegen neue Möglichkeiten verschließen. Und durch dieses verschließen und krampfhaft an Zielen festhalten, sehen wir nur das was zur Zielerreichung führt und alles andere wird ausgeblendet und vor allem dann, wenn wir zwischendurch scheitern und Rückschritte machen. Wie Friedensreich Hundertwasser auch sagt: „Vor dem Abgrund ist jeder Rückschritt ein Fortschritt.“

 Das Paradox der Ziellosigkeit

Aber was ist mit dem Gegenteil - der Idee, keine klaren Ziele zu haben? Kann Ziellosigkeit wirklich produktiv sein? Absolut. In der japanischen Philosophie des "Wabi-Sabi" wird die Schönheit des Unvollkommenen und Unvollständigen betont. Ähnlich kann das Fehlen klarer Ziele uns erlauben, im Moment zu leben und uns für das zu öffnen, was das Leben für uns bereithält. Steve Jobs drückte dies aus, als er sagte: "Man kann nur vorne auf das Leben schauen, aber man kann nur rückwärts verstehen."

 Beispiele für das erfolglose Ziel

Ein berühmtes Beispiel für das Scheitern trotz klarer Ziele ist das von Kodak. Trotz ihres frühen Erfolgs und der Festlegung klarer Ziele, die auf die dominierende Rolle der Filmfotografie abzielten, versäumte es das Unternehmen, sich rechtzeitig an die digitale Ära anzupassen. Diese Fixierung auf ihre Ziele und die Unfähigkeit, sich anzupassen, führten letztendlich zum Niedergang des Unternehmens.

 Beispiel für die Kraft der Ziellosigkeit: Ein Gegenbeispiel bietet die Geschichte von Sir Richard Branson, dem Gründer der Virgin Group. Branson hat sich nie von starren Zielen leiten lassen. Stattdessen blieb er offen für neue Möglichkeiten und Risiken. Diese Flexibilität ermöglichte es ihm, in Branchen vorzudringen, die weit über sein ursprüngliches Geschäftsfeld hinausgehen, und Virgin zu einem der vielseitigsten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt zu machen.

 Fazit:

Das Setzen von Zielen ist zweifellos ein mächtiges Werkzeug zur persönlichen Entwicklung und zum Erfolg. Doch wir sollten auch die Kraft der Ziellosigkeit nicht unterschätzen. Manchmal ist es gut, ohne klare Ziele zu leben und sich dem Fluss des Lebens treiben zu lassen. Wie alles im Leben geht es um Balance. Also setzen Sie sich Ziele, seien Sie aber auch bereit, sie anzupassen oder sogar ganz aufzugeben, wenn sich neue Möglichkeiten ergeben. Denn wie Seneca sagte: "Das Glück ist keine Station, bei der man ankommt, sondern eine Art zu reisen."